Brennende Ölfelder, geöffnete Ölleitungen und zerschossene Tanker – in Folge des Zweiten Golfkriegs kam es 1991 zu einer der größten menschengemachten Umweltkatastrophen der Geschichte. Durch Meeresströmungen und Wind wanderte das Öl über 700 Kilometer Richtung Süden entlang der Küste. Ein fast lückenloser Ölteppich breitete sich aus und zerstörte die fragilen Ökosysteme des Ozeans, der Küsten und der Mangrovenwälder sowie
Tier- und Pflanzengemeinschaften.
Die Schwarze Flut, die damals tausende Vögel im klebrigen Schlamm erstickte, bildet den Ausgangspunkt der Arbeit „Möve in Oel“ von Stefan Daniel.
Das Wandobjekt in geschwungener Neon-Handschrift mutet wie eine Leuchtreklame in urbanen Räumen an, die wie kaum etwas Anderes städtische Lifestyles und kapitalistische, konsumorientierte Gesellschaften darstellt. Neonlichter und flimmernde Reklametafeln sind ikonische Merkmale von Städten wie Las Vegas oder New York und wurden zum Symbol für Amerika.
Auf den ersten Blick eine leuchtende, verspielte Schrift, wird die Botschaft der Arbeit von
Stefan Daniel erst bei näherem Hinsehen deutlich. Die unterschiedliche Schreibweise des
Buchstaben Ö symbolisiert die Doppelmoral der USA während des Golfkrieges, sich einerseits für Demokratie und Menschenrechte einsetzen zu wollen, andererseits aber mit Waffengewalt wirtschaftliche und geopolitische Interessen zu verfolgen. Die schwarze Schrift selbst scheint wie mit dickflüssigem, klebrigem Öl geschrieben, während die rote Schrift, im eingeschaltenen Zustand, eher die Signalwirkung der Arbeit unterstreicht und auf all die durch die Katastrophe verlorenen Lebewesen hinweist.
„Möve in Oel“ macht die Widersprüchlichkeit der Erdölnutzung auf diesem Planeten deutlich.
Vor vielen Millionen Jahren sanken tote Kleinstlebewesen und Pflanzen auf den Meeresgrund und bildeten einen Faulschlamm, der, von Schichten aus Sand und Steinen bedeckt, Bakterien und schließlich den zähflüssigen Kohlenwasserstoff bildeten – den Rohstoff Öl. Nun haben ihn sich die Menschen angeeignet und befördern ihn im großen Stil.
Ob Tanker- oder Förderunfälle, Kriege, Pipeline-Lecks oder Plastikmüll – das sogenannte
„Schwarze Gold“ befeuert weltweit Umweltverschmutzung, Kolonialismus und geopolitische
Machtkämpfe. Gleichzeitig ist die wandelbare Ressource im menschlichen Alltag omnipräsent – wir kauen sie als Kaugummi, schmieren sie uns in Kosmetik auf den Körper und nehmen sie durch Ibuprofen in uns auf. Sie wird zu Benzin, Kerosin oder Heizöl raffiniert und ist auch in Kleidung, Matratzen und Fußbodenbelägen enthalten.
Erdöl prägt wie kaum ein anderes Material unsere konsumorientierte Gesellschaft. Mit ihm fliegen wir in den Weltraum, führen Kriege und machen Urlaub. Für unsere Bequemlichkeit werden trotz seiner Endlichkeit 15 Milliarden Liter am Tag verbrannt. Es erfüllt uns Wünsche und zerstört zugleich unsere Lebensgrundlagen. Obwohl die globalen CO2-Emissionen durch fossile Energieträger weiter steigen und immer wieder Höchstwerte erreichen und die Auswirkungen des Klimawandels bereits an vielen Orten der Welt spürbar sind, schreiten Maßnahmen zur Reduzierung dieser Emissionen immer noch zu langsam voran. Stefan Daniels „Möve in Oel“ ist ein Aufruf, wenigstens im Kleinen Entscheidungen zu treffen, die unserem Planeten nicht weiter schaden.